„Diversity ist nur der Anfang.“ Interview mit Mina Saidze.

Mina Saidze ist Data Evangelistin, Gründerin von Inclusive Tech, Forbes „30 under 30“ und Influencerin für Diversity und Gender Equality in der Daten- und Tech-Branche. Im Interview spricht sie über ihren spannenden, ungeraden Weg, der sie genau hierhin geführt hat.

Inhaltsverzeichnis

Grafik im Artikel “Skill Gap Analyse: Wie Unternehmen den Weiterbildungsbedarf ihrer Belegschaft effektiv feststellen“ zeigt das StackFuel Data-Literacy-Assessment (Symbolbild).

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Diese Frau sollte man spätestens 2022 kennen: Mina Saidze ist Data Evangelistin und Gründerin von Inclusive Tech. Ende 2021 wurde sie von Forbes als eine „30 under 30“ ausgezeichnet und setzt sich leidenschaftlich für Diversity und Gender Equality in der Datenbranche ein. Das alleine wäre bereits eine beeindruckende Aufzählung ihrer bisherigen beruflichen Erfolge, in die sie nicht nur viel Arbeit, sondern vor allem Herzblut investiert hat. Wir haben mir Mina Saidze über ihre Vision gesprochen, warum Diversity besonders in der Datenbranche wichtig ist und ihren Weg zur Quereinsteigerin und Digital-Pionierin.

Interview mit Mina Saidze

Du arbeitest hauptberuflich als Data Evangelistin. Wie würdest Du Deinen technisch nicht so versierten Freund:innen erklären, wie Dein Berufsalltag aussieht?

Die Demokratisierung von Big Data und Künstliche Intelligenz heißt für mich, dass ich diese für jeden nutzbar und zugänglich machen und dadurch Hürden abbauen möchte. Ich leiste Hilfestellung und Beratung an vielen Etappen auf dem Weg zur Nutzung von Daten und bilde Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen aus, datengetriebene Technologien zu verstehen und das Thema zugänglich machen.

So demokratisiere ich Data und KI dadurch, indem ich mich intensiv dem Thema „Teilhabe“ widme – nicht nur für Techies, sondern auch für Menschen ohne Tech-Background, damit sie am gesellschaftlichen Fortschritt und zusammen mit ihrem Unternehmen daran teilhaben können. Von einer besseren Teilhabe aller profitiert die ganze Gesellschaft, denn wir brauchen alle Talente, um die Welt von morgen zu bauen.

Hierfür biete ich Bildungsformate an, um die Brücke zwischen Tech und Business zu bilden.

Dazu entwickle ich Strategien und Best Practices, um eine dateninformierte Kultur innerhalb des Unternehmens und den Ansatz von Self-Service Analytics durch das Enablement aller Mitarbeiter:innen zu fördern. Und ich identifiziere Use Cases, die Potenzial verbergen, Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen, und arbeite an diesen. Darüber hinaus unterstütze ich den Aufbau von erfolgreichen Data-Teams.

Woher kam Dein Wunsch in die Tech-Branche einzusteigen und würdest Du Deinen eigenen Einstieg in die Tech-Branche als reibungslos beschreiben?

Als Tochter politischer Aktivisten habe ich mir immer die Frage gestellt, wie die Welt zu einem besseren Ort wird. Deswegen habe ich nach dem Abitur einen Freiwilligendienst in Tansania absolviert. Aufgrund meiner Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit, habe ich Deutschland beim offiziellen G8 & G20 Jugendgipfel vertreten.

Als Aktivistin war es für mich naheliegend, journalistisch tätig zu werden. Rebecca Schneid sagte einmal: “Journalism is a form of activism”. Denn kritischer Journalismus kann durchaus die Möglichkeit bieten, dass sich der Konsument zu einem kritisch denkenden Bürger entwickelt. So habe ich Stationen bei taz.die tageszeitung, Deutsche Welle und Radio Bremen absolviert.

Während meines Studiums habe ich die Berliner Digitalszene für mich entdeckt und arbeite seitdem in diesem Bereich. Daten begleiten uns ständig und umso faszinierender finde ich es, aus Daten Erkenntnisse zu gewinnen und – noch besser – Produkte zu entwickeln.

Mein Lebenslauf ist alles andere als geradlinig, da ich jemand bin, der ständig Neues lernt und seiner Leidenschaft folgt. Wenn ich Entscheidungen getroffen habe, dann gehörte dazu eine Mischung aus Verstand, Herz – und eine ordentliche Portion Mut.

Aufgrund eines Quereinstiegs war mein Einstieg in der Tech-Branche zwar nicht einfach, aber machbar, aufgrund meiner Praxiserfahrung, Begeisterung und Wissbegierde.

Ist Dein Hintergrund besonders von Vorteil, um die verstaubten Grenzen und Vorurteile in Deutschland aufzumischen oder bist Du auch auf unerwartete Hürden gestoßen?

Lange Zeit wusste ich nicht, wer ich war und wo ich hingehörte. Zu Hause habe ich meine zentralasiatische Kultur gelebt und außerhalb der eigenen vier Wände war ich „die deutsche Mina“, die Bertolt Brecht und Heinrich Heine zitierte. Ähnlich ging es mir auch als Data Analyst: Ich wusste nicht, dass meine Kommunikations-Skills gefragt sind.

Viel später erst wurde mir bewusst, dass ich aus den zwei Kulturen und meinen Fähigkeiten das jeweils Beste entnehmen kann. Mittlerweile bin ich als Data-Evangelist auf Konferenzen unterwegs, wo ich technische Themen einem breiten Publikum zugänglich mache. Ich baue Brücken zwischen Welten – sei es zwischen der Kultur des Herkunftslandes meiner Eltern und der deutschen Heimatkultur oder zwischen Anzugträger mit Schlips und einer Entwicklerin im Hoodie.

Du hast Dir besonders das Thema Diversity auf die Fahne geschrieben und Deine eigene Organisation Inclusive Tech gegründet. Was war der ausschlaggebende Grund dafür, das Thema Inklusion in der Tech-Branche in die eigene Hand zu nehmen?

Diversity – sei es in Tech oder anderen Bereichen – wird häufig immer noch als Employer Branding-Strategie oder CSR-Maßnahme betrachtet. Was dabei oftmals vergessen wird: Mehr Teilhabe von unterrepräsentierten Gruppen wie Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und People of Color am digitalen Arbeitsmarkt fördert unsere Volkswirtschaft.

Alleine aus ökonomischen Gründen ist es sinnvoll, Diversity in Tech zu fördern, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Auch müssen wir uns in der modernen Arbeitswelt von der geradlinigen Bilderbuchkarriere verabschieden. Durch den technologischen Wandel ist lebenslanges Lernen unerlässlich und aufgrund des Fachkräftemangels brauchen wir mehr Quereinsteiger*innen, die flexibel auf Änderungen reagieren können.

Abgesehen von den rationalen Gründen spielt vor allem meine eigene Biografie eine ausschlaggebende Rolle: Als Tochter von Einwanderern fühlte ich mich oft wie ein Ausreißer im Datensatz, da ich nicht ins Bild des neuen Deutschlands passte. Belässt man diesen, um das Phänomen zu verstehen? Oder wirft man ihn raus, um ein homogenes Bild zu vermitteln? Ich habe gelernt, dass man nirgendwo reinpassen muss.

Wichtig ist es, seine Stimme zu finden. Mit meiner Geschichte möchte ich jungen, migrantischen Menschen zeigen, dass sie es mit Verstand, Herz und einer ordentlichen Portion Mut auch schaffen – sei es in der Tech-Branche einzusteigen oder ihre Träume zu verwirklichen.

Wie öffnen wir die Daten- und Tech-Branche für Quereinsteiger:innen und auf welche Weise würde sich eine angleichende Diversity in der Datenbranche positiv für Unternehmen und Gesellschaft auswirken?

Die Debatte um Big Data und KI wird technokratisch geführt, während die sozialen Aspekte untergehen. Dabei sollten wir uns häufiger fragen, welche konkreten Auswirkungen das für die Gesellschaft und im Speziellen für die Frauen hat, deren Jobs von der Automatisierung besonders gefährdet sind.

Es reicht nicht nur, diverse Tech-Talente einzustellen und diese als Aushängeschild für das Unternehmen zu verwenden. Eine aktuelle Studie des Capgemini Research Institute zeigt auf, dass sich die meisten Tech-Mitarbeiter:innen mit diversem Hintergrund nicht zu ihrem Unternehmen zugehörig fühlen. Demnach sind 85 % der befragten Führungskräfte der Meinung, dass ihre Unternehmen allen Mitarbeiter:innen gerechte Chancen für die berufliche Entwicklung bieten – aber nur 19 % der Frauen und ethnischen Minderheiten angehörenden Mitarbeiter:innen in technischen Berufen stimmen dem zu.

Diese frappierende Diskrepanz zeigt auf, dass viele Führungskräfte sich dessen nicht bewusst sind. Sie müssen über die bloße Kommunikation hinausgehen, ein tatkräftiges Engagement aufzeigen und Vertrauen zu unterrepräsentierten Gruppen wie Frauen oder People of Color aufbauen.

Diversity ist nur der Anfang. Inklusion ist der nächste Schritt, um einen nachhaltigen Wandel zu bewirken.

Warum glaubst Du sind gerade Frauen für diese Branche geeignet und warum sind eventuelle Berührungsängste mit Tech und Daten unbegründet?

Der Job erfordert eine Vielzahl von Talenten: Ich muss in der Lage sein, in einem Team arbeiten zu können. Auch muss ich technische, komplexe Zusammenhänge für eine nicht-technische Zielgruppe verständlich erklären können.

Zudem ist es unerlässlich, auf dem aktuellen Stand zu der Entwicklung von Technologien zu sein, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dazu gehört – neben der analytischen Kompetenz, einem mathematischen Grundverständnis und Tech Know-how – Teamspirit, Kommunikationstalent und Lernbereitschaft.

Und genau diese Vielseitigkeit bringen einige Frauen mit. Die Arbeit im Tech-Bereich erfordert viel Kommunikation, Empathie und Leidenschaft. Es ist kein lustloser, trockener Job, in dem du nicht mit anderen interagierst.

Wo können Einzelpersonen anfangen, wenn sie sich für das Thema interessieren, aber noch unsicher sind, ob sie für die Arbeit mit Daten geeignet sind?

Bei StackFuel. 😉

Und zum Abschluss noch ein paar schnelle Fragen. Bereit?

  1. Deine liebste Programmiersprache: Python
  2. Dein berufliches Vorbild: Tina Müller
  3. Das beste Buch, das Du dieses Jahr gelesen hast: „Die neue Einsamkeit“ von Diana Kinnert
  4. Dein nächstes, hochgestecktes Ziel auf Deiner beruflichen Reise: Noch mehr Daten sehen.
  5. Wofür stehst Du richtig früh auf: Für ein Frühstück im Bett.
  6. Wenn Du beruflich einen anderen Weg eingeschlagen hättest, was wärst Du geworden: Archäologin, um unentdeckte Schätze aufzuspüren.

Wenn Du noch mehr von Mina lesen möchtest, kommst Du hier zu ihrem Interview zum Data Literacy Day oder folge ihr gern auf LinkedIn oder Instagram.

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Quellen

Foto von Julia Steinigeweg

Capgemini Research Institute (2021): “Just 10% of global businesses are front-runners in inclusion and diversity practices within their technology functions” [11.02.2022]

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