Sie sind die Schreckgespenster, die Personaler:innen zusammenzucken lassen. Dieses Jahr hören wir immer öfter Begriffe wie „Big Quit“ und „Great Resignation“. Studien belegen nun das Phänomen, das in den USA seinen Ursprung hat.
Als „Great Resignation“ oder “Big Quit” wird die bisher größte, freiwillige Kündigungswelle in den USA und über ihre Grenzen hinaus bezeichnet, deren Ursachen immer noch untersucht werden. Ungeklärt ist nach wie vor, inwieweit dieser Trend auch nach Deutschland überschwappt. Was man allerdings hierzulande nicht wegdiskutieren kann, ist das Rekordhoch, das der Fachkräftemangel 2022 erreicht hat. Mehr als 850.000 Stellen sind in Deutschland für das Jahr 2022 bis August unbesetzt gewesen.
Unternehmen müssen sich also mehr denn je um Talente bemühen und aktive Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung unternehmen. Welche diese sein können, darauf gehen wir nachfolgend näher ein.
Deutsche Wechselbereitschaft ist gestiegen
Eine aktuelle Forsa-Studie von XING E-Recruiting aus dem Jahr 2022 hat herausgefunden, dass jede:r Vierte den Job kündigt, selbst wenn noch kein neuer Arbeitsvertrag unterschrieben wurde. 37 Prozent der Studienteilnehmenden gaben an, für einen Stellenwechsel offen zu sein oder sogar schon aktive Schritte unternommen zu haben. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um zwölf Prozent.
Der größte Anteil an wechselbereiten Arbeitskräften ist im Alter von 30 bis 39 Jahren. In der Mitte der Karriere ist demnach fast jede:r Zweite (48 Prozent) bereit ein neues Stellenangebot anzunehmen.
Ein weiterer Faktor erschwert dazu noch die Mitarbeitergewinnung. Der Bewerbungsprozess dauert in deutschen Unternehmen immer länger. Während dieser im Jahr 2010 noch durchschnittlich 57 Tage dauerte, betrug er im Jahr 2015 schon 86 Tage und 2022 ganze 124 Tage. Vorreiter nutzen hier bereits datengetriebenes Recruiting, um die Time-to-hire zu reduzieren.
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Corona und die Mitarbeiterbindung
Wie groß ist der Einfluss der Corona-Pandemie auf die geschwächte Mitarbeiterbindung? Laut 25 Prozent der deutschen Befragten und sogar 40 Prozent der Schweizer hat die Pandemie ihre Entscheidung den Job zu wechseln in der Tat beeinflusst.
Die Corona-Pandemie hat den Status quo der modernen Arbeitswelt aufgelöst und ging für viele Arbeitnehmende mit Unsicherheit, Einstellungsstopps sowie hoher psychischer und professioneller Belastung einher. Für eine hohe Arbeitsbelastung als Ursache spricht besonders, dass sich die Kündigungswelle auffällig stark in den Branchen Tech und Gesundheit ausbreitete, auf denen in dieser Zeit ein besonderer Leistungsdruck lag.
Andere Faktoren könnten durch Kurzarbeit oder einen Jobverlust ebenso zum Tragen gekommen sein: Betroffene hatten während der Pandemie Zeit, ihre Arbeits- und Lebensziele neu zu verorten. Durch den stärkeren gesellschaftlichen Fokus auf die Gesundheit haben immer mehr Menschen neu bewertet, ob der Job ihrem Wohlbefinden zum Beispiel durch Stress schadet oder ob der aktuelle Job sich mit ihrer neuen Work-Life-Balance vereinbaren lässt. Unabhängig von der Ursache ist eines jedoch klar: Besonders jetzt, wo Arbeitgebende ihre Angestellten bitten, wieder zurück ins Büro zukommen, wird die Unternehmenskultur und das Zugehörigkeitsgefühl erneut auf die Probe gestellt.
Die Ursachensuche führt ins Unternehmen
Ist das Büro den Fahrtweg noch wert? Was zunächst trotzig klingen mag, geht mitunter auf ganz natürliche Bedenken zurück. Die tägliche Hin- und Rückfahrt zum Büro kostet Zeit und birgt zusätzliche Gesundheitsrisiken im öffentlichen Nahverkehr.
Viele sind nicht bereit zum alten Status quo zurückzukehren, denn das Homeoffice hat trotz gestiegener Arbeitsleistung zu mehr Selbstbestimmung und Freiheit in der Gestaltung der Arbeit geführt. Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden diese Faktoren wieder nehmen, in dem sie eine zu schnelle Rückkehr erzwingen, steigt so das Risiko einer beruflichen Neuorientierung.
Die XINGing E-Recruiting-Studie von 2022 konnte zeigen, dass flexibles Arbeiten und Selbstbestimmung nicht mehr nur wünschenswert sind, sondern mittlerweile vorausgesetzt werden. Besonders wichtig sind den Befragten von XING zufolge diese Jobattribute:
- 59 Prozent: Gutes Führungsverhalten
- 57 Prozent: Flexible Arbeitszeiten
- 54 Prozent: Höheres Gehalt
- 52 Prozent: Persönliche Sinnerfüllung
- 52 Prozent: die Möglichkeit remote arbeiten zu können
Hieraus sollten Unternehmen schnellstmöglich ihre Maßnahmen ableiten.
Welche Maßnahmen helfen bei der Mitarbeiterbindung?
Unternehmen und Personalabteilungen müssen wohl oder übel mit der Zeit gehen. Neue Konzepte und Lösungen zur Mitarbeiterbindung sind gefragt, wenn sie ihre Employee Retention verbessern möchten. Datengetriebene Personal- und Rekruiting-Strategien sind ein wichtiger Schlüssel, um dies zu tun.
Rekruiting
Der Cultural Fit wird immer entscheidender dafür, ob ein:e Bewerber:in ins Unternehmen kommt oder ob Mitarbeitende lange bleiben. Um das festzustellen, müssen sich Unternehmen mit ihrer eigenen Unternehmenskultur und Werten auseinandersetzen. Dies kann auch bedeuten, frühere Überlegungen zu diesem Thema auf die Probe zu stellen.
Mitarbeiterbindung
Es gibt auf der anderen Seite keinen Grund zu warten, bis Arbeitnehmende so unzufrieden werden, dass sie das Unternehmen verlassen oder sich abwerben lassen. Der bestehenden Belegschaft sollte ebenso Aufmerksamkeit zukommen, wie der Mitarbeitergewinnung. Umfragen und Stimmungsbarometer können dabei helfen, die aktuelle Lage einzufangen und Maßnahmen zu formulieren.
Co-Creation ist hier das Stichwort. Unternehmen sollten im Wandel ihre Belegschaft miteinbeziehen und an der Gestaltung der neuen Arbeitskultur mitwirken lassen. So schaffen sie eine höhere Identifikation und riskieren keinen teuren Schuss ins Blaue.
Und auch der Wunsch nach einem Wechsel sollte ernst genommen werden. Durch gezielte Weiterbildungsangebote können Mitarbeitenden neue Karriereperspektiven geboten und ihre Wichtigkeit für das Unternehmen ausgedrückt werden. So können Chefs im besten Fall sogar noch schwer zu besetzende Stellen intern neu belegen. Dieses Job Crafting führt wiederum zu einem gesteigerten Selbstbestimmungsempfinden und wird deshalb zu einem immer wichtigeren Mittel der Employee Retention.
Führungskräftetrainings
Nicht zuletzt, sollte auch ein Coaching für das Management angeboten werden. Die veränderten Bedingungen der Arbeitswelt haben auch hier zu mehr Druck und Unsicherheit geführt. Auf Managern und Teamleads lag eine besondere Last, ihre Teams durch unsichere Zeiten zu manövrieren. Nun stehen sie vor der nächsten, immensen Herausforderung, trotz volatilem Arbeitsmarkt einen neuen Standard für flexible Arbeit zu schaffen, der die Geschäftsziele im Blick behält.
Es müssen also viele Erwartungen in Einklang gebracht werden. Leadership Coachings helfen dabei auch die Führungsebene für diese Themen zu sensibilisieren und neue Impulse zu geben. Dieses Empowerment der Führungskräfte ist nötig, um sich auf die veränderten Erwartungen einzustellen und sie in den einzelnen Teams auch real umzusetzen.
Fazit
Die vergangen zwei Jahre lassen sich mit ihren Auswirkungen nicht mehr wegwischen. Jetzt ist dennoch der richtige Zeitpunkt für Veränderung, denn die Angestellten sind noch nicht aus der Tür.
Auch wenn die Great Resignation Deutschland noch nicht in ihr volles Ausmaß erreicht hat, sollten Arbeitgebende und Personaler:innen schon heute wichtige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung einleiten. Eine wichtige davon: Weiterbildungen in Form von Up- und Reskilling.
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Quellen
XING (2022): „Studie von XING E-Recruiting: Im deutschsprachigen Raum kündigt jeder Vierte ohne eine neue Stelle zu haben“ [24.08.2022]
XING (2022): „Wechselbereitschaft: Eine Chance für Berufstätige – und das Recruiting“ [24.08.2022]
Kununu (2022): „The Great Resignation – hast du schon gekündigt oder denkst du noch darüber nach?“ [24.08.2022]
Human Resources Manager (2022): „The Great Resignation: Selbstbestimmung ist gefragt“ [24.08.2022]
Microsoft (2022): „Work Trend Index 2022: Great Expectations: Making Hybrid Work Work” [24.08.2022]
Brave New Leaders (2022): “Creating a workplace worth the commute” [24.08.2022]
Statista (2022): “Bestand an gemeldeten offenen Arbeitsstellen¹ in Deutschland im Jahresdurchschnitt von 2011 bis 2022” [19.09.2022]